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„Regional“ einkaufen: Zwischen Marketing-Unsinn und Qualitätsprädikat

„Regional“ einkaufen: Zwischen Marketing-Unsinn und Qualitätsprädikat

Regional einkaufen! So schön es klingt, so schwammig ist es: Der Grund für die Verwirrung ist simpel. Der Begriff ist nicht gesetzlich geschützt oder definiert. Ein Hersteller kann also ein Produkt als „regional“ vermarkten, ohne dass er sich an eine Vorgabe halten muss, was „regional“ nun bedeutet. „Region“ ist also relativ. Klar, irgendwie ist es auch im echten Leben subjektiv, wie groß eine Region ist. Ist es beispielsweise die norddeutsche Halbinsel Angeln, alles nördlich des Nord-Ostsee-Kanals, ganz Schleswig-Holstein oder vielleicht auch alles, was in „Süddeutschland“ als „Norddeutschland“ gilt? Man legt es sich so zurecht wie man es empfindet. Oft ist eine „Region“ geografisch oder geschichtlich begründet; In fiktiven Radien um verkehrstechnisch gut gelegene Produktionsstandorte bemisst sich aber keine Region und das ist, was gerne vermarktet wird. Etwas, dass man im Gespräch mit Bekannten nie durchgehen ließe, wird beim Einkauf hingenommen als wäre es ganz selbstverständlich.

Dein Einkauf kann eine Region stärken

Auch wenn die Einleitung jetzt vielleicht erstmal deprimierend klingt: Eigentlich ist der Gedanke der Regionalität durchaus wünschens- und unterstützenswert. Denken wir an regionale Produkte, so sind es meistens zwei Faktoren, die es interessant machen, sie zu kaufen. Vielen geht es beim regionalen Einkauf darum, eine Region zu stärken. Oft geht es aber auch darum, eine Region zu schmecken. Ein tieferes Auseinandersetzen mit den Nuancen des eigenen Einkaufes ist ein logischer Schritt; genau, wie das Infragestellen des Pauschalen „Hier aus der Region“. Es ist im Grunde „nur“ eine einfache Selbstermächtigung in einem Bereich, in dem man Transparenz nur in den kleinstmöglichen Dosen gewährt bekommt.

Regionalität darf/muss hinterfragt werden

Kaufe ich ein regionales Produkt, geht es mir um die eben beschriebenen zwei Dinge, die ich mir von den Produkten wünsche. Unterstützung einer Region und regionenspezifischen Geschmack. Teilweise kommen sie einzeln daher, idealerweise sind sie aber kombiniert: als Landwirt ist es mir wichtig, dass ich andere Produzenten unterstütze. Das ist der erste Aspekt und mir persönlich wichtiger als alle Siegel oder Erklärungen: Dafür bin ich wirklich bereit, mehr Geld auszugeben. Viele Nichtlandwirte kennen es, für den Fleischkauf lieber zum Metzger des Vertrauens zu gehen, statt im Supermarkt in der Kühltheke zuzugreifen, oder auch in der Fleischabteilung. Objektiv würden bei Weitem nicht alle Metzgereien einem kritischen Hinterfragen dieser Entscheidung standhalten. Nur noch wenige schlachten selbst; das verwendete Fleisch kommt oft in Hälften oder sogar nur Teilstücken aus den großen Schlachthöfen, die ihre Tiere aus ganz Europa zusammenkarren und auch die Industrie versorgen. Es werden für die Wurstherstellung oft die gleichen Rezepte, Gewürze und Gewürzmischungen verwendet, wie bei der Produktion im großen Stil. Oft ist es sogar so, dass viele Supermärkte inzwischen in ihre Fleischabteilungen investieren und vor Ort Spezialitäten der Region herstellen. Bei uns sind es die Kartoffelwurst, Obersteiner Spießbraten oder auch „Gefillde Kleeß“, die man im Supermarkt frisch hergestellt bekommt.

Regionalität erhält Arbeitsplätze, Kompetenzen und Werte

Trotzdem finde ich es grundsätzlich richtig und wichtig, den Metzger zu unterstützen: er schafft Arbeitsplätze, hält Kompetenzen und Menschen in der Region, investiert das verdiente Geld im Ort und verschafft damit wiederum anderen Handwerkern Aufträge. An irgendeinem Punkt profitiert man wieder selbst davon. Das ist ja eigentlich einer der Gedanken, warum man regionale Produkte möchte. Um die Region zu stärken und sie dadurch am Ende auch für sich selbst weiter lebenswert zu machen. Der zweite Aspekt ist, dass man eine Region durch ein Produkt geschmacklich erleben kann. Dabei hilft der oben beschriebene Metzger nur bedingt. Sicher kann man bei ihm regionale Spezialitäten bekommen, die eine Verbindung zur Region herstellen. Geht man es aber ein bisschen puristischer an, dann wird ein Steak, das der Metzger des Vertrauens vom Fleischgroßhändler seines Vertrauens gekauft hat, keine spezielle Region erlebbar machen. Mir geht es um etwas ähnliches, wie das Terroir beim Wein. Das ist beim Einkauf ein echtes Nüsschen, das zu knacken ist, aber ein tolles Gefühl, wenn man es erreicht.

Ich bin überzeugt davon, dass ein tieferes Beschäftigen damit, was man sich von der Regionalität erwünscht, eher offen als engstirnig macht. Insbesondere beim Terroir-Aspekt kann es den Horizont sehr erweitern, wenn man die Möglichkeiten des Internets nutzt und Betriebe findet, die mit möglichst geschlossenen Betriebskreisläufen wirtschaften, ihre Produkte aber auch verschicken. Das schließt sich nicht aus. Es ist ein Weiterdenken der Abkehr von der großindustriellen Herstellung, ohne sich den Möglichkeiten der Moderne zu verschließen.

Der Geschmack einer Region

In einem Interview mit einem Vorstandsmitglied einer großen Burgerkette habe ich mal gelesen, dass in einem Hamburgerpatty das Fleisch – also Genmaterial – von etwa 150 Tieren ist. Das ist die Chargengröße der Herstellungsmaschinen. Kaufen wir beim Metzger, erwarten wir eigentlich ein einziges Tier im Hack. Vielleicht sogar auch nur ein Teilstück. Warum sollten wir dann nicht auch versuchen, Produkte von Tieren zu essen, die mit dem gefüttert wurden was der Hof, von dem sie stammten, rund ums Jahr so geboten hat? Nicht das, was gerade billig am Markt zu bekommen war. Ist der Klimaschutz Teil der Entscheidung für die Region, sind solche Terroir-Produkte die einzig konsequente Option. Ob weite Futtertransporte stattgefunden haben oder nicht, ist nicht zu vernachlässigen. Vieles spielt für mich in den zweiten, den Terroir-Faktor, mit hinein. Und den erhoffe ich mir von regionalen Produkten.

Man sollte die Faktoren aber nicht gegeneinander ausspielen. Ich denke, das Wichtigste ist, dass man durch seine Kaufentscheidungen den Menschen einer Region ermöglicht, dort gut zu leben. Schafft man das, schafft man Selbstbewusstsein. Selbstbewusste Produzent*innen besinnen sich auf die eigenen Fähigkeiten, machen sich Gedanken zur Tierhaltung und zur Fütterung und dazu, wie sie ihr Produkt wirklich besonders machen können. Regionalität ist die Antithese zur Globalisierung und eigentlich müsste genau das in einer Begriffsdefinition festgeschrieben werden. Die Globalisierung ist aber deswegen nicht zu verteufeln; Bewusst angegangen kann man mit einem „liberalen Regionalismus“ besondere und beschreibende Produkte aus verschiedensten Regionen genießen, Produzent*innen vor Ort unterstützen und so als Genießer die ganze Welt auf den Teller bekommen.

Über den Autor Ingmar Jaschok

Ingmar Jaschok ist Demeter-Landwirt mit journalistischer Ader – eine seltene Kombination. Durch tiefe Einblicke in die Landwirtschaft aufgrund jahrelanger Arbeit auf Betrieben in ganz Deutschland und seinem Heimathof dem Bornwiesenhof weiß er genau, an welchen Stellen es Fleisch-Erzeuger am meisten drückt und wo dringend mal nachgehakt werden muss. Als freier Journalist und Autor bereitet er diese Erkenntnisse so auf, dass auch Endverbraucher verstehen, was die Branche bewegt. Ingmar Jaschok reist als Genuss-Scout für Fleischglück durch Deutschland und trifft Erzeuger, Gastronomen und andere Persönlichkeiten, die in der Fleisch-Szene außergewöhnliches leisten. Noch mehr Geschichten aus seinem Leben als Landwirt mit Mission und Vision kann man auf seinem Blog Hofhuhn lesen.

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