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Der Fleischglück-Podcast #22 mit Andreas Dreymann: Höhen und Tiefen eines Bio-Metzgers

Der Fleischglück-Podcast #22 mit Andreas Dreymann: Höhen und Tiefen eines Bio-Metzgers

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Auszug der ersten 15 Minuten Podcast mit Andreas Dreymann

„Demeter-Metzger“ nennt sich Andreas Dreymann selbst – in seiner Metzgerei landet ausschließlich biozertifiziertes Fleisch, wenn möglich mit Demeter-Standard. Seit 25 Jahren hält Dreymann diese Linie strikt, aus eigenem Antrieb. Als Mitbegründer der Hamburger Bio-Szene hat er die Enwtwicklung der Bio-Bewegung von Anfang an hautnah erlebt – von einer Zeit „verrückter Ökos“ bis heute, wo Bio gesellschaftlich enorm an Relevanz gewonnen hat. Im Podcast erklärt er, wie er sein Geschäft so erfolgreich aufbauen konnte, wie er mit Kompromissen umgeht und was ihn am Konsumverhalten der Deutschen stört.

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Fleischglück: Herzlich willkommen zu einer neuen Folge des Fleischglück-Podcasts. Wir zeichnen heute in Hamburg auf bzw. ein paar Kilometer außerhalb von Hamburg. Da sind wir gerade hingefahren mit Andreas Dreymann, der ist heute unser Gast und er ist einer von etwa 12.000 handwerklichen Metzgern, die es in Deutschland noch gibt – Tendenz leider sinkend. Einige davon sind Bio Metzgereien, er nennt sich Demeter-Metzger, da werden wir gleich drüber sprechen, was das bedeutet. Googelt man diesen Begriff „Demeter Metzgerei“ kommt er da ganz oben bei Google, zumindest war das bei mir eben so und das sicher nicht nur, weil er eine gute SEO Optimierung seiner Web-Site hat, sondern einfach, weil Andreas schon eine ganze Weile in der Branche dabei ist und einfach ein sehr besonderes Handwerk macht. Schön, dass du dir die Zeit genommen hast für einen Podcast.

Andreas Dreymann: Ja, freue mich auch David – fühle mich geehrt meine Meinung kundtun zu dürfen.

Fleischglück: Sprechen wir erstmal ein bisschen über dich als als Personen. Der klassische Weg, wenn man Metzger wird oder bei ganz vielen ist es so, dass sie quasi in diesem Beruf rein geboren werden. Bei dir ist es auch ein bisschen so, allerdings hast du dann vor vielen Jahren doch eine eigene Metzgerei aufgemacht. Du hast quasi keinen Familienbetrieb übernommen, sondern bist selbst diesen Schritt gegangen. 2002 glaube ich, war das ne? Woher hast du damals die Sicherheit genommen, dass dieses Geschäft für dich funktionieren wird? Es gibt vermutlich einfachere Geschäftsmodelle. Du bist den Schritt in Richtung Metzger gegangen in einer Zeit, wo es auch das Metzger-Sterben schon gab, wo es auch gar kein so sicherer Berufsweg mehr war. Wie kam das?

Andreas Dreymann: Mein Vater hat eine Metzgerei oder Fleischerei sagt man im Landkreis Osterode am Harz, da bin ich auch ausgebildet worden Familienbetrieb. Ich habe dann die Lehre gemacht, weil ich auch eigentlich nicht wusste, was ich anderes machen könnte. Hatte gar keinen großen Ideen. Habe auch gedacht: Ok, mit meinem Realschulabschluss, machst du das jetzt erstmal und im Zweifel bildest du dich dann noch mal weiter und dann habe ich meine Ausbildung gemacht. Hat mir auch Spaß gemacht. Wie gesagt, das war im elterlichen Betrieb. Bundeswehr habe ich noch schnell gemacht 12 Monaten und dann wollte ich in eine Großstadt ziehen. Hamburg fand ich super interessant. Ok, dann gehst du erstmal nach Hamburg.

Ich habe mir dann aus dem Hamburger Abendblatt Stellenangebote rausgesucht und so bin ich dann im Januar 94 auf dem FleischGroßmarkt in Hamburg gelandet, also, um meine Miete bezahlen zu können. Das war nur ein Job, um halt seine Rechnungen bezahlen zu können, nicht mehr, keine Emotionen dabei. Das war trotzdem auch eine interessante Zeit, habe nette Kollegen da kennengelernt, auch in diesem Zerlege-Bereich. Ja, das hab ich in ein halbes Jahr gemacht und mich da so durchgekämpft, weil das waren schon dynamische Kollegen gewesen und ich war damals verhältnismäßig schlank mit Anfang 20. Naja, und dann konnte ich meiner Meinung nach ganz gut Wurst produzieren mit dem Wissen meines Vaters und ganz gut Tiere zerlegen mit diesen sechs Monaten auf dem Fleischgroßmarkt. Und dann habe ich gedacht: Jetzt müsstest du wieder ein bisschen ins Handwerk zurück und Verkauf würde jetzt noch gut reinpassen.

Dann habe ich wieder ins Hamburger Abendblatt reingeguckt und dann waren da zwei Annoncen drin, die erste Stelle war aber schon vergeben, als ich angerufen habe. Das zweite war: Bioland Frischfleisch Fricke Fleischerei sucht dynamische neue Mitarbeiter; junges aufstrebendes Unternehmen. Dann dachte ich: Gut, was soll das sein? Fährst du halt mal rum. Dann habe ich mich vorgestellt und so bin ich dann am 1. September 1994, also fast auf den Tag genau vor 25 Jahren, in dieser Hamburger Bioszene gelandet und habe dann angefangen dort zu arbeiten. Das war eine junge Truppe, wir waren so zwischen Anfang und Ende 20 alle, alles Pioniere so in Aufbruchstimmung. Und auf einmal war es dann rund für mich, das macht mir Spaß. Auch mit dem ethischen Hintergrund, diese qualitativ hochwertigen Lebensmittel mit zu gestalten und zu produzieren, das fand ich genial.

Diese BioBewegung in Hamburg war damals gerade fünf Jahre im Gange. Die hat sich gegründet nach Tschernobyl und man konnte wirklich total mit gestalten. Wenn du so ein Hähnchen gegessen hast, das war für mich so ein Flash, wo ich gesagt hab: Das schmeckt so unglaublich aromatisch, wie in der Landwirtschaft bei meinem Jugendfreund Heiko. Dann dachte ich: Das ist ja klasse! Na, und im Grunde genommen wurde es bei mir zur Überzeugung, das halt so in dieser Bioszene zu machen. Dann hat sich das stark entwickelt: Als ich angefangen habe, hatte Hamburg fünf reine ÖkoWochenmärkte, als ich 2002 in die Selbständigkeit gegangen bin waren es dann 1213, die ich dann mit aufgebaut habe, da habe ich auch meine Frau kennengelernt 1997. Wir haben zusammen gearbeitet in einer Bio-Metzgerei.

Und dann kam der Gedanke: Wir wollen das gerne in Eigenregie machen. Wir wollten das aber noch konsequenter machen. Das war da schon sehr gut, aber wir wollten das noch konsequenter machen als Bioland und das ist halt dann Demeter. Und somit sind wir in Kontakt getreten mit dem zu der Zeit schon ein paar Jahre aktivem Gut Wulfsdorf, als landwirtschaftlicher DemeterBetrieb. Das ist ein Hamburger Staatsgut auf dem Gelände Schleswig-Holstein. Wir haben die Familie Lutz kennengelernt, die Familie Lutz hatte geplant, einen neuen Hofladen zu bauen mit eigenständiger Metzgerei. Wir kannten uns von den ÖkoWochenmärkte in Hamburg und haben uns gemocht und geschätzt und meine Frau und ich wir wollten uns selbständig machen als Metzger und somit hat das perfekt gepasst. Und so sind wir dann mit unserem Businessplan zu den ersten Banken gegangen, mit dem Problem, dass die Banken eigentlich da keinen Bock drauf hatten.

Also die ersten drei Banken haben unseren Aktenordner gerne entgegengenommen im Büro, aber wieder zurück bekommen haben wir ihn dann unten am Empfang. Dann hat sich die Hamburger Sparkasse auf uns eingelassen und somit sind wir dann am 13. September 2002 hier auf dem Gut Wulfsdorf gestartet und seitdem produziere ich halt mit meinen mittlerweile knapp 20 Mitarbeitern Fleisch und Wurstwaren nach Demeter bzw. Nach BioRichtlinien.

Fleischglück: Lass uns noch mal ein paar Jahre zurück springen in die Zeit, in der du auf diese Ökobewegung mit aufgesprungen bist. So ein bisschen unbedarft klingt das, so reingerutscht, plötzlich war ich drin. Was war das für eine Stimmung, was waren das für Menschen? Also heute ist die Öko– und BioBewegung ja echt auf dem Auftrieb, damals kannte es noch keine so richtig. Ich stell mir das vor wie so eine Truppe verrückter Leute, die so bisschen auch außerhalb der Gesellschaft ihr Ding machen. Wie war das für dich?

Andreas Dreymann: Ja, auch diese erste Fleischerei, wo ich damals gearbeitet habe, das war alles total provisorisch. Das war eigentlich so die Form von Metzgerei, wo mein Vater mir von abgeraten hätte, der hat immer eher auf Technik gesetzt. Da waren halt viele Leute, eher wenig Technik, aber es war eine tolle Gemeinschaft. Wir wurden auch als Exoten wahrgenommen, also das ist auch heute noch so teilweise. Mittlerweile auch so, dass die Berufsschule jetzt unsere Azubis natürlich gut anerkennt, aber am Anfang galten wir als absolute Exoten. Also ich mit diesem Fleisch ohne Nitrit, das war für jeden normalen Fleischer gar nicht nachvollziehbar, also so eine temporäre Sache die auch wieder vorbei geht. Das Gefühl wurde einem vermittelt und man wurde auch eher belächelt. Die ersten Züge dieser ÖkoWochenmärkte, da kenne ich auch noch die Bilder, da wurde man so als Linksradikale teilweise wahrgenommen, die dann Wochenmarkt machen: Chaoten machen jetzt Wochenmarkt in den Städten, das war so der erste Impuls, der mit dem ersten Wochenmarkt 1989 so ins Leben gegangen ist. Und das hat sich seitdem total entwickelt und das KundenKlientel, dieses uröko Kundenklientel, das hatten wir als Fleischer von eh und je nicht so sehr. Unsere Kunden waren immer eher so qualitätsbewusste Mischkäufer. Das hat sich aber noch mehr verändert. Mittlerweile ist Bio ja schick, es ist nicht öko, sondern es ist schick und in dem Bereich sind wir auch aktiv und versuchen natürlich auch schick zu sein und auch schicke Lebensmittel, die auch dem Begriff Lebensmittel gerecht werden, zu kreieren.

Fleischglück: Das heißt damals konntest noch gar nicht absehen, dass diese ganze Bewegung 30 Jahre später oder 25 Jahre später so relevant werden würde? Jetzt ist natürlich cool für dich, dass es so relevant ist das Thema. Spürst du das auch, dass ihr weiter Auftrieb bekommt, weil das ganze Thema gesellschaftlich auch aufgegriffen wird?

Andreas Dreymann: Ja auf jeden Fall. Was ich interessant finde, dieses Thema Nachhaltigkeit, was jetzt kommt, wo man noch mal vieles hinterfragt. Da ist ja die jüngere Generation, die sich jetzt bei Fridays for Future langsam grade macht und das nicht mehr so akzeptiert, diese Ausbeutung der Landwirtschaft und unserer Natur. Und das spielt natürlich voll mit rein. Aber es ist natürlich auch bei uns so, die Kunden sind immer noch ein kleiner ProzentTeil der Bevölkerung, die das so leben und auch die Kunden, die uns durch Ihren Einkauf unterstützen. Der Wettbewerb ist natürlich auch nicht einfacher geworden. Bei Bio ist natürlich auch interessant, da kommt auch der Wettbewerb durch die Supermärkte, die jetzt auch eine Bioschiene fahren. Die ist natürlich bei uns genauso präsent wie die guten Kollegen, die konventionelle gute Lebensmittel herstellen im Bereich Fleisch und Wurst. Also den Wettbewerb haben wir genauso. Es hat sich natürlich schon was verändert, ne?

Fleischglück: Es gibt ja noch die Abstufung zwischen Bio und Demeter. Es sind beides Gütesiegel, es sind beide an sehr strikte Kriterien geknüpft, Demeter noch mal strenger als Bio Wie kam diese Entscheidung zu Demeter? War das damals auch so ein Zufall, der sich ergeben hat? Und macht es das nicht auch ein bisschen schwerer, dein ganzes Geschäft, dass du wirklich die striktesten Auflagen erfüllen musst? Und gleich meine dritte Frage: Wie schlägt sich Demeter überhaupt in der Metzgerei nieder? Bedeutet es einfach, dass du DemeterProdukte verwendest oder musst du auch anders arbeiten?

Andreas Dreymann: Also Demeter ist im Grunde die konsequenteste Form. Wir machen auch nicht nur Demeter. Also der größte Teil unserer Lebensmittel, die wir herstellen sind nach Demeter Richtlinien. Dieser Demeter Gedanke, den gibt’s ja schon hundert Jahre. Also man hat schon vor hundert Jahren festgestellt, dass die Lebensmittel durch die Industrialisierung nicht mehr so wertig waren wir noch 1850. Und dann hat man den Herrn Rudolf Steiner damit beauftragt, sich Gedanken zu machen eine Landwirtschaft wieder zu formen, die die Erde gesunden lässt. Durch unterschiedliche Fruchtfolgen, BrachlandPhasen etc., das sind die Ur-Gedanken biologisch-dynamische Landwirtschaft. Das Gut Wulfsdorf war Demeter zertifiziert seit 1989, also im Grunde genommen schon einen Demeter Unternehmen, als wir gestartet sind, dementsprechend 13 Jahre. Somit war klar, dass wenn wir was ganz konsequentes machen wollen, natürlich die Tiere des Gut Wulfsdorfs verarbeiten und veredeln wollen und dementsprechend, dass wir es nach DemeterRichtlinien machen.

In der Praxis bedeutet das halt, dass die Tiere auf Demeter zertifizierten Feldern aufwachsen, nur möglichst Demeter zertifizierte Nahrungsmittel bekommen, keine Pestizide, kein präventiver Antibiotika-Einsatz, keine Hormone – Das ist halt das, was der Landwirt macht. Was so sichtbar ist für viele ist, unsere Kühe tragen immer Hörner. Es geht ja nicht um Artgerechtigkeit, sondern um Wesensgerechtigkeit. Weil zum Wesen einer Kuh gehören die Hörner. Und wir als handwerklich zertifizierter Betrieb veredeln diese hochwertigen Tiere zu Fleisch und Wurstwaren und verwenden auch keine Zusatzstoffe, also kein Nitritpökelsalz, keine Phosphate, keine Glutamate, keine Hefeextrakte, kein Fremdeiweiß etc. Also du hast nur das natürliche Fleischeiweiß.

Fleischglück: Nun gehen ja naturgemäß solche seltenen Tiere es gibt ja nicht unendlich viele Demeter Tieregehen ja irgendwann vielleicht mal kurzzeitig aus, wie sehr weicht ihr eure Philosophie dann vielleicht wieder auf? Und sagt: Okay gut, dann müssen wir jetzt irgendwie was anderes her beschaffen. Würdet ihr auch NichtBio-, NichtDemeter Fleisch verarbeiten, notfalls?

Andreas Dreymann: Ich muss es für mich immer rechtfertigen können, um es meinen Kunden auch rüberbringen zu können. Also das ist der GrundParameter, nach dem ich entscheide. Wir verarbeiten im Augenblick komplett nur Bio. Das bedeutet halt aber auch, dass ich Tiere aus Bioland Aufzucht nehme und teilweise auch aus EU BioAufzucht. Aber es gibt so einen Bereich, da ist es mir ganz wichtig: Also bei Schweinezuchtbetrieben, sind es nur Demeter und BiolandBetriebe. Also den größten Teil unsere Tiere beziehen wir von der Landwirtschaft hier nebenan, nur 100 Meter weiter. Das sind unsere Demeter zertifizierten Schweine, das ist ein großer Teil. Alternativ beziehe ich dann noch Demeter zertifizierte Schweine aus Schwäbisch Hall, von der bäuerliche Erzeugergemeinschaft Schwäbisch Hall und das ist auch verfügbar in diesem hohen Level in Bio-Qualität. Bei den Rindern ist das Problem und für mich der Anspruch: Die Genetik steht über dem Bio-Anbauverband.

Also wenn ich jetzt wählen müsste zwischen den Rassen, die im Vordergrund für mich wichtiger sind, die Ur-Rassen, die Genetik, möchte ich eigentlich nur Angus-, Galloway-Rinder überwiegend haben und alternativ haben wir auch noch diverse Wagyus, die wir übers Jahr hier mit veredeln. Somit sind die Rinder eine Mischung aus Demeterund Bioland Aufzucht, mit dem Hintergrund, dass viel Demeter Landwirtschaft einfach sehr Milchproduktionsbezogen ist und diese Rinderrassen, die schwarzbunten, die rotbunten, die man so kennt, die sind jetzt für das was ich als Fleisch veredelnder Betrieb machen möchte, nicht so geeignet. Somit entscheide ich mich da eher für die Rasse und für den Bioland Verband im Zweifel, aber wenn ich jetzt die Möglichkeit hätte, ein Galloway, oder ein Angus in Demeter-Qualität zu haben oder in Bioland, dann würde ich immer sagen Demeter. Im Zweifel, wenn ich die Chance habe was konsequenter zu machen, würde ich immer das konsequentere machen. Bei Geflügel nur Demeter und Bioland, da ist für mich in meiner Wahrnehmung EUBio, ich sage mal, ein fauler Kompromiss. Also das ist für mich nicht Bio, wie ich mir Bio vorstelle, also dann mache ich entweder Demeter, Bioland oder gar nichts.

Dann verzichte ich halt auch auf Puten im größten Teil im Jahr, weil es Demeter Puten nur ganz selten gibt und ich halt nichts verkaufen möchte, wo garantiert Antibiotikarückstände messbar sind. Bei Lämmern ist es so, da habe ich einen ganz tollen Landwirt in der Nähe von Sankt Peter-Ording, das ist ein Bioland zertifizierte Schäfer, der Herr Boysen. Also sind die Lämmer immer Bioland zertifiziert. Auf unseren gesamten Betrieb bezogen: Also, ich bin Demeter und Bioland Metzger, also von beiden Verbänden anerkannt und in der Praxis bei uns ist es ungefähr so, dass wir 60% Demeter Aufzucht, 30% Bioland, 10% EUBio, also von nem Nachbarbetrieb, der eine EUBio Zertifizierung hat, so in diesem Verhältnis kann man es ungefähr sehen.

Fleischglück: Jetzt ist Demeter und Bioland sicher auch, ja eine Geschichte die sehr ganzheitlich orientiert ist, wo es um das Zusammenspiel von Mensch, Natur, Boden mit Weitblick auf den ganzen Planeten geht und nicht unbedingt alles kulinarischen motiviert sein muss. Hast du das Gefühl, dass ich das aber am Ende auch in der Kulinarik widerspiegelt, also das Demeter Produkte, ich frags mal ganz plastisch, auch besser schmecken oder geht’s dir da mehr um die ganzheitliche Philosophie?

Andreas Dreymann: Also es spielt beides zusammen, das Ethische, wie das Kulinarische. Das muss sich schon die Waage halten. Aber ich glaube schon, dass ein glückliches Tier einen auch selber glücklicher macht, als ein unglückliches zu verzehren. Und da muss man schon auch tiefer in die Materie einsteigen, also in der Demeter Landwirtschaft, in der biologisch-dynamischen Landwirtschaft, sieht man da auch kosmische Zusammenhänge. Man verteilt Präparate homöopathisch auf die Weiden unser auch Zusammenhänge zu erzeugen. Davon muss man überzeugt sein oder vielleicht auch glauben. Das ist der eine mehr als der andere, aber was messbar ist, ist auf jeden Fall die Art der Fruchtfolge. Also die Lebensmittel, die nach Demeter Richtlinien angebaut werden, vor allem auch die vegetarischen, einfach besser sind, als die von den anderen Bioverbänden, die es nicht ganz so konsequent machen. Die Tierhaltung ist natürlich ganz elementar, auch da ist es so: Hat ja jeder das Recht das noch konsequenter zu machen, sind die Richtlinien natürlich da auch immer exzessiver. Also die Reihenfolge auch da wieder: Demeter, Bioland, EUBio etc.

Fleischglück: In einem vorangegangenen Podcast habe ich mit David Pietralla mal ausführlich diskutiert oder besprochen, dass Produktqualität beim Fleisch, oder das was als Qualität wahrgenommen wird, also Marmorierung, Saftigkeit und Tierwohl oder Nachhaltigkeit oft ja nicht in die selbe Richtung läuft. Ein sehr intensiv gehaltenes Rind, nachhaltig bewusst aufgezogen, macht nicht immer die beste Fleischqualität, macht nicht immer die beste Marmorierung. Wie kriegst du diesen Spagat hin, zwischen einem hohen Anspruch an deine Produkte und gleichzeitig dem Anspruch an Nachhaltigkeit?

Andreas Dreymann: Ja, die Genetik spielt auf jeden Fall schon mit rein, dass du die Tiere einfach mehr fütterst, dass sie älter werden, damit sie halt auch von vorne rein bisschen marmorierter halt auch sind, dass sie auch mehr zugefüttert werden, dass unsere Landwirte dadurch natürlich auch mehr Geld bezahlen. Also, das muss halt für alle Seiten fair sein, die Landwirte müssen fair bezahlt werden, damit sie faire Lebensmittel züchten können. Wir werden glücklicherweise fair von unseren Kunden hier im Hamburger Raum bezahlt, weil es denen wichtig ist, diese Lebensmittel zu kaufen. So ist die Reihenfolge halt. Aber wenn du natürlich jetzt etwas ganz Extremes hast, da bin ich auch nicht dabei. Also Kobe-Rind ist für mich symbolisch das gleiche, also die Art wie das in Japan gemacht wird, wie bei der Stopfgans. Davon halte ich gar nichts, dieses völlige überfetten und un-artgerechte.

Unsere Wagyu-Rinder, die ich beziehe, die wachsen in Bayern auf. Also eins habe ich auf von Luki Maurer gehabt, den ja so einige kennen, was auch total toll ist, was der Luke da unten bei sich macht und die anderen beziehe ich von einem Kollegen von ihm, das ist auch ein Bioland zertifizierer Betrieb. Und da ist es halt wirklich so, dass in Wagyu-Rind natürlich dann schon viel marmorierter ist im Vergleich noch als ein Angus oder ein Galloway, während die ja auch schon marmoriert sind. Aber die werden nie so extrem marmoriert, wie jetzt so ein übermästetes, original Kobe Rind aus Japan, das wollen wir halt auch nicht. Na, also, da ist es dann wirklich so, dass das Ethische dann über dem Kulinarischen steht. Ich möchte auch kein Prime Beef, das hat alles seine Rechtfertigung, aber wenn die Tiere da nur mit Mastmitteln vollgepumpt werden in ihren Feedlots, das ist auch nicht meine ethische Grundlage für Landwirtschaft.

Fleischglück: Du hast eben einen spannenden Satz gesagt. Du hast gesagt, wenn ich die Gabelung hatte, zwischen noch konsequenter werden oder aufweichen in meiner Philosophie, bin ich immer noch konsequenter geworden. Das ist glaube ich eine Situation in der sich viele Erzeuger oder auch Metzger gerade wieder finden. Sie stehen vor der Frage: Mache ich es jetzt vielleicht nachhaltiger, wirklich konsequent, so wie ich es mir wünschen würde, oder beuge ich mich vielleicht doch dem Preisdruck? Du sagst, du hast es immer konsequenter gemacht. Wie hat das funktioniert? Dazu braucht man ja auch den Kundenstamm, der sowas mit geht.

Andreas Dreymann: Ja, ich bin ja in der Öffentlichkeit, auf Hamburger Wochenmärkten, also ich habe den Kontakt zu meinen Kunden. Also meine Kunden würd ich mal sagen, sind meine Freunde, das ist gar nicht vorgeschoben. Und da tauscht du dich natürlich schon aus und es ist natürlich schon so, du musst die halt natürlich auch mitnehmen. Ich hab immer gesagt, wenn ich sowas mache, muss ich das halt auch wirklich für mich argumentativ darstellen können und auch für mich rechtfertigen können.

In letzter Konsequenz ist es dann halt so, entscheiden meine Freunde, meine Kunden über Sein und Nicht-Sein. Und die haben es immer mitgetragen, weil wir es auch kommuniziert haben, weil wir gesagt haben: weniger ist mehr! Wir dry agen ausschließlich jeden Roastbeef Strang, also es gibt bei uns keine Zweigleisigkeiten, mit aging oder vakuumgereiften Rinderrücken und das haben wir auch gesagt. Also ich wollte halt, wenn ich’s mache, wollte ich es konsequent machen. Und das vermitteln wir auch so unseren Kunden und sagen dann halt: Nimm lieber 150 g Rumpsteak vom Dry Aged Strang, als 250 g im Vakuum gereiften. Und man ist den Weg mit mir immer mitgegangen – Also immer offen und ehrlich, authentisch.

Und ja gut, wir leben hier in Hamburg und das weiß jeder, wir haben hier so knapp zwei Millionen Einwohner und wenn man da jetzt 5% wirklich interessierte BioKunden hat, dann ist das natürlich auch schon eine gewisse Gruppe. Das ist sicher in einer dünn besiedelten Region nicht so einfach darstellbar, dass man sich so austoben kann in seiner Kreativität und mit extremen Lebensmitteln, in kulinarischer Hinsicht, wie ich das jetzt vielleicht machen kann. Aber es ist trotzdem wichtig, dass man es halt vermittelt und das ist halt für mich auch diese Philosophie: Wir wollen den Flexitarier als Kunden.

Der, der wirklich bewusst sich grundsätzlich ernährt und der wenig Fleisch isst, aber dafür gutes. Das ist der Anspruch, den ich für mich habe und auch an unsere Kunden. Und ich glaube auch, egal wie hoch die Zertifizierung ist, wenn du 500 Gramm Fleisch die Woche isst und das nicht nur Rinderfilet sein soll, dann kann sich das jeder leisten und alles andere ist ja dann auch schon wieder eher nicht so gesund. Das ist die Philosophie, die ich habe. Also du musst nicht nur Steak essen, also das Rind hat so viele andere tolle, interessante Bereiche, die auch günstiger sind und man muss halt nur Spaß daran haben, sie zu zubereiten und zu kochen, Zeit zu investieren. Essen, kochen, das ist halt was sinnliches, ne?

Fleischglück: Du hast jetzt sicher eine besondere Art von Klientel, die du dir über die letzten Jahre angeeignet hast. Hast auch einen besonderen Vertriebskanal? Den Markt, den hat nicht jeder Metzger, du hast ja keine Filiale in dem Sinn. Klar, den kleinen Hofladen hier im Gut Wulfsdorf, aber das ist schon auch eine besondere Umgebung. Ich habe bisher immer das Bild vom Marktkäufer gehabt, dass er für für kulinarische Innovationen bestimmt nicht so richtig offen ist. Musst du sowas wie Marmorierung oder Second Cuts oder so ein ?? oder sowas, musst du das immer wieder erklären oder kennen das deine Kunden schon, in der Regel?

Andreas Dreymann: Also so und so. Den ersten Kontakt hatte ich von irgendeinem Studenten aus Amerika, der vor zehn Jahren bei mir am Tresen stand und gesagt hat, er würde gerne Brisket kaufen. Das wär total klasse, das hätte er gegrillt gegessen, irgendwo in Texas. Und da habe ich gesagt: Brisket? Was ist denn Brisket? Dann habe ich das gegoogelt und habe gesehen, das ist Rinderbrust. Da war ich jetzt nicht so blöd, dass ich gesagt habe, das kann ich mir nicht vorstellen und dachte: Okay, klingt interessant. Das war das erste Mal, dass ich sowas gehört habe. Dann kam durch die ganze Barbecue affine Szene, Beefer, „Beef die Zeitung, die ganzen Grillkurse. Dann war ich da natürlich schon affin, hab mir vor sechs Jahren den ersten Smoker gekauft, dann kam der Beefer, dann kam das Big Green Egg, also alles Feuerplatte, also alles so an und Spielzeug so , was man zum Barbecue und Grillen halt braucht.

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