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„Die Bauernhofromantik ist fatal“

„Die Bauernhofromantik ist fatal“

Der erste Schritt ist gemacht. Medien berichten kritisch über Feedlot-Haltung in den USA, Restaurants fokussieren sich auf regionales Fleisch und allenthalben hört man Sätze wie „ich esse weniger Fleisch, dafür aber gutes“ oder „ich kaufe nur noch Bio“. Ein keimendes Bewusstsein für die Bedeutung artgerechter Tierhaltung ist geschaffen. Und doch ist es nur ein Keim, der nun möglichst in die richtige Richtung treiben sollte. Was dabei nicht hilft, ist übertriebene Erzeuger-Romantik und Verklärung.

Feindbild „industrielle Tierhaltung“

Natürlich: Um sich von einem Extrem zu lösen – in diesem Fall das Feindbild „industrielle Massentierhaltung und Qualmast“ – hilft es auf den ersten Blick, sich dem anderen Extrem zuzuwenden. Das ist in diesem Fall der Wunsch nach einer Tierhaltung à la Heidi & Ziegenpeter. Weite Almwiesen, ein Bauer wie aus dem Bilderbuch und drumherum rauschende Bäche. So zu sehen auf jeder zweiten Fleisch- und Milchverpackung, gerne auch auf jenen, die davon besonders weit weg sind. Dieses völlig verzerrte Bild von Landwirtschaft hat sich in Millionen von Köpfe gebrannt und definiert so fatalerweise für viele Menschen den Anspruch an Tierwohl.

Keine Frage, den paar Tieren, die ein Leben auf der Alm oder auf großflächigen Weiden genießen dürfen, geht es ohne Zweifel sehr gut. Doch diese Tiere machen nur einen winzigen Bruchteil der Fleischproduktion aus. Sie sind als absolute Ausnahme zu betrachten. Das Fleisch, das in der Frischetheke, auf dem Markt, beim Metzger oder im Hofladen verkauft wird, stammt in 99% aller Fälle nicht aus einer alm-ähnlichen Umgebung, sondern aus klassischen landwirtschaftlichen Klein- und Großbetrieben. Die sehen allerdings nicht immer so aus, wie sich der Konsument das erträumt. Und das ist auch völlig in Ordnung. Denn auch artgerechte Tierhaltung muss wirtschaftlich sein.

Eine Kuh, wie aus dem Bilderbuch. Solche Haltungsbedingungen sind allerdings als absolute Ausnahme zu betrachten.

Kleine Schritte, die Hoffnung machen

Die Abkehr von industrieller Massentierhaltung kann nicht von heute auf morgen gelingen und schon gar nicht vom Übel direkt ins ganz große Tierglück. Es sind kleine Schritte, die Hoffnung machen. Das sind konventionelle Landwirte, die sich an neue Haltungsformen wagen – auf eigenes Risiko. Das sind Schlachthöfe, die sich nicht nur aufs Schlachten konzentrieren, sondern auch ihre Zulieferer dazu verpflichten, Haltungsstandars einzuhalten. Das sind Erzeuger, die auf eigene Faust und mit eigenem Zeit-Investment Forschungsarbeit leisten, um Alternativen zur konventionellen Landwirtschaft zu finden. Und das sind Menschen, die an kleinen aber wichtigen Schrauben drehen, um Haltungskonzepte zu entwickeln, die möglicherweise irgendwann massentauglich werden könnten. Denn eines ist sicher: Tierhaltung auf der Alm wird niemals massentauglich werden. Sie ist schön anzuschauen, schmeckt fantastisch, hat aber kein Potential einen Markt zu verändern.

Nun gibt es ein großes Problem: Die Erwartugshaltung der Öffentlichkeit ist riesig. Man fühlt sich gut, als Teil einer rollenden Bewegung, die mehr Tierwohl fordert, man will Ergebnisse sehen – und hat Bauernhofromantik im Kopf. Auf der anderen Seite stehen engagierte Landwirte und Züchter, die mit viel Aufwand und Herzblut etwas ganz anderes liefern. Einen Aktivstall für Schweine zum Beispiel, mit kleinen aber wichtigen Optimierungen. Oder einen Chicken-Tractor für Hofhühner. Oder einen Schlachtraum, der stressfreieres Schlachten ermöglicht. Das sind wirklich sinnvolle Innovationen mit großem Hebel. Es sind allerdings keine, die einen großen Show-Effekt erzielen und der Öffentlichkeit ein Lächeln ins zeitungslesende Gesicht zaubern.

Auch das gehört zur Fleischproduktion: Blut, Schweiß und tote Tierkörper. Bild: Vivi d’Angelo

Irritation statt Unterstützung

Ein befreundeter Landwirt schilderte uns folgende Situation: Ein Fernsehteam wollte über seine Freilandschweine berichten, denen er ein neues Gelände angelegt hatte. Bei der Vorbesprechung sah der Regisseur den großen Schweinemaststall, der dem Betrieb die letzten 30 Jahre als Einnahmequelle diente. Also die Basis des Betriebs, die überhaupt erst neue Schritte ins Ungewisse ermöglicht. Irritiert wurde angemerkt, das hier ja offenbar nicht nur Freilandhaltung betrieben werde. Der Dreh wurde abgesagt – aus einer völlig verdrehten Logik. Statt über die positive Entwicklung und den Innovationswillen zu berichten, wird davor zurück geschreckt, die Realität zu dokumentieren. „Die Bauernhofromantik ist absolut fatal für jeden Erzeuger“ – sein Fazit.

„Wir müssen aufhören, nur die schönen Seiten zu zeigen“ – sagt Demeter-Landwirt Ingmar Jaschok, der auf seinem Instagram Kanal „ungeschönt schöne Bilder“ zeigt. Man sieht dort auch mal, wie Mutter und Kalb getrennt werden – das muss dann auch erklärt werden. Man sieht tote Tiere, man sieht das echte Leben. „Du musst einfach schonungslos ehrlich sein“, sonst fällt das auf dich zurück, sagt der Landwirt. „Nur so kann man langfristig glaubwürdig sein“. Das bedeutet: Alle Teile der Tierhaltung dokumentieren, nicht nur die romantischen. Dazu gehört auch mal ein Bild aus dem Stall oder gar aus dem Schlachtraum.

Mut zur Ehrlichkeit

Medien, Erzeuger und auch Verbraucher müssen dringend aufhören, Landwirtschaft und Tierhaltung als pure Idylle darzustellen – denn das ist sie nicht. Fleischproduktion bedeutet eben auch: Töten, Blut, Dreck, Druck und Schweiß. Wird das in der Kommunkationsarbeit ausgeblendet, steigt die Fallhöhe für den Konsumenten massiv an. Je stärker sich realitätsferne Bauernhofromantik aufstaut, desto größer ist das Potential für große Enttäuschung beim Verbraucher, wenn er realisiert, dass die Schweineweide am Ende vielleicht doch etwas kleiner ist, als gedacht.

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